Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung – Vortrag von Hrn. Neubauer und Hrn. Rubinigg am 19.02.2023

Autor: Bernd Meierhofer

Im Zuge der Fachtagung 2023 des Österreichischen Erwerbsimkerbunds gab es neben der Verkaufsmesse auch zahlreiche Workshops und Vorträge.

Für uns Züchter gab es am Sonntag (19.02.2023) drei Vorträge zur Auswahl. Den Vortrag zur Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung von Hrn. Neubauer und Hrn. Rubinigg, den Vortrag zur Königinnenzucht von Fr. Heike Aumeier und Vortrag von Hrn. Lutz Eggert über die Varroaresistenzzucht mit Erhalt der Vitalität. Da ich den Vortrag von Lutz Eggert schon von einer Veranstaltung im Herbst 2022 kannte, entschied ich mich für den Vortrag von Hrn. Neubauer und Hrn. Rubinigg.

Hr. Neubauer ist von Beruf Landwirt und Imker.  Er betreibt Bio-Landwirtschaft und Bio-Imkerei. Seine 120 Bienenvölker sind auf 8 Standorte verteilt. Hr. Neubauer ist der Präsident der ZAC (Zentrale Arbeitsgemeinschaft der Carnicazüchter). Hr. Rubinigg ist quasi ZAC-Mitarbeiter von Hrn. Neubauer und hat selbst einen Carnica-Zuchtbetrieb in der Steiermark. Hr. Rubinigg ist vermutlich vielen Imkern von seinem Varroa-Scanner-Projekt bekannt. Wie dem Vortrag zu entnehmen war, ist er vermutlich der technische Mastermind hinter dem von ZAC verwendeten BeeData-Programm.

Seinen Vortrag begann Hr. Neubauer mit einer kurzen Einführung über die Zucht im Allgemeinen und die Bienen-Zucht im Speziellen.

Was heißt Zucht?

Zucht ist kontrollierte Fortpflanzung mit dem Ziel der genetischen Umformung. Gewünschte Eigenschaften sollen verstärkt und unerwünschte Eigenschaften unterdrückt werden.

Wie erreicht man diese Ziele?

Voraussetzung für eine gezielte Zucht sind eine Leistungsprüfung und eine Zuchtwertschätzung. Nur damit hat man die Basis für die Selektion der gewünschten Eigenschaften geschaffen.

Bienenhaltung und Zucht – Eine verantwortungsvolle Aufgabe

Betrachtet man die Geschichte der Imkerei, wird man feststellen, dass Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen erst in den letzten 30 Jahren durchgeführt werden. Bei der Züchtung der Bienen wurde bisher insbesondere auf Honigleistung, Sanftmut, Schwarmträgheit, Wabensitz und Varroatoleranz geachtet. Dinge wie die Vitalität der Bienen, die Langlebigkeit der Bienen, der Propoliseintrag der Bienen im Sinne einer umfassenden Stockgesundheit, die Wachsproduktion, das Abwehrverhalten der Bienen, der Putztrieb, der Polleneintrag und die Überwinterungsstärke wurden bisher züchterisch noch gar nicht behandelt.

Hr. Neubauer wies insbesondere darauf hin, dass die Zuchtarbeit in der Imkerei eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe ist. Das genetische Material schwindet bereits dramatisch. Imker sind sich oftmals nicht der Tragweite bewusst, wenn fremde Bienenrassen in Schutzgebiete oder Regionen mit noch reinen Populationen gebracht werden. Vor 25 Jahren war die Situation sicherlich noch anders. Es wird aber immer schwieriger, bodenständiges Material für die Bienenzucht zu bekommen bzw. zu erhalten.

Wie sieht nun der Ablauf der Leistungsprüfung im Detail aus?

Zunächst gilt es den Zuchtstoff/die Zuchtmütter auszuwählen und zu kören. Man wählt dafür die zwei besten Völker eines Bienenstandorts aus (Bewertung über die Stockkarten bzgl. Honigleistung, Sanftmut, Schwarmträgheit, Wabensitz und Varroatoleranz). Danach wird die Reinrassigkeit dieser Völker überprüft. Dafür werden zeitig im Frühjahr (bis spätestens Anfang April) 120-150 Jungbienen pro Zuchtkönigin von den Brutwaben eingesammelt und eingefroren. Diese Proben werden dann zu einer Körstelle gesendet.
Sofern die Reinrassigkeit von der Körstelle bestätigt wurde, kann in Folge mit der Zucht der Königinnen für die Leistungsprüfung begonnen werden. Es sollten mindestens 20 Königinnen für jeden ausgewählten Zuchtstoff gezüchtet werden. Nachdem diese geschlüpft sind, werden diese in die Zuchtdatenbank eingetragen (BeeData bei ZAC, beebreed bei ACA) und zur Begattung auf eine Reinzucht-Belegstelle gebracht. Die Belegstelle muss natürlich mit ihren Vatervölkern ebenfalls in der Zuchtdatenbank eingetragen sein.
Nach einer erfolgreichen Begattung (Königinnen sollten ca. 3 Wochen schon in Eilage sein) werden mindesten 6 Königinnen pro Zuchtserie für eine Fremdprüfung angemeldet und versendet. Die restlichen Königinnen verbleiben beim Züchter. Jeder Züchter sollte mind. 6 Königinnen aus eigener Zucht und mind. 6 Königinnen von fremden Züchtern auf einem Prüfstand prüfen. Jeder Züchter hat aber das Recht, dass seine zur Fremdprüfung versendeten Königinnen wieder zurückgeholt werden.

Damit die Prüfung auch wirklich anonymisiert ablaufen kann, ist es notwendig, dass für die Fremdprüfung nur gleiche Transportkäfige und Plättchen verwendet werden und der Versand an die diversen Leistungsprüfer über eine zentrale Versandstelle abgewickelt wird. Die Leistungsprüfer müssen nach dem Erhalt der Königinnen diese so rasch wie möglich in extra erstellten Prüfvölkern (alle mit gleicher Stärke) zusetzen. Wichtig ist, dass diese Prüfvölker dann im September ungefähr die gleiche Volksstärke aufweisen und alle am gleichen Standort stehen.

Für die so erstellten Prüfvölker erfolgt nun die Erfassung der Leistungsdaten. Damit hier objektiv vergleichbare Ergebnisse entstehen, dürfen die Prüfvölker in ihrer Volksstärke nicht mehr verändert werden (keine Brutentnahme…). Diese Völker dürfen bis Mitte Juli auch nicht einer Varroabehandlung unterzogen werden (auch kein Schneiden der Drohnenbrut etc. ). Die Völker müssen innerhalb der Prüfzeit von September bis August (letzte Schleuderung) gleich behandelt werden. Innerhalb der Prüfzeit erfolgt ein mehrmaliges Erfassen der Volkseigenschaften (Sanftmut, Wabensitz und Schwarmneigung), die Zählung des Milbenbefalls und das Verwiegen des Honigertrages. Diese Leistungsdaten müssen dann bis spätestens 15. November im BeeData System eingetragen werden. Danach berechnet das System den Zuchtwert. Die leistungsgeprüften Königinnen stehen dann im System für weitere Nachzuchten zur Auswahl.

Warum sollte man bei der Leistungsprüfung mitmachen bzw. sich einem Zuchtverband anschließen?

  • Vergleich der selbst gezüchteten Königinnen mit den Königinnen von einer großen Gruppe an Züchtern
  • Zugang zu neuem Zuchtmaterial (Genetische Vielfalt)
  • Kontakt und Erfahrungsaustausch mit anderen Züchtern
  • Erhalt unserer heimischen Bienenrassen
  • Höhere Honigerträge

Hr. Rubinigg setzte nun den Vortrag fort. Er erklärte am Beispiel des Honigertrages, wie die diversen Gene (Genotyp) und die diversen Umwelteinflüsse (Wetter, Vegetation, Tracht, Betriebsweise, Imker …) letztendlich den Phänotyp und damit den Zuchtwert für den Honigertrag ergeben. Der Imker ist vermutlich der wichtigste Umweltfaktor für die Bienen.

Der Zuchtwert ist der genetische Wert eines Leistungsmerkmals, bezogen auf die Zuchtpopulation. Er ist das beste Werkzeug für die Selektion.

Aufgrund der Datenerhebungen der letzten Jahre ist der Zuchtfortschritt erkennbar. Am Beispiel des Honigertrages der letzten Jahre ist erkennbar, dass hier der genetische Trend in die richtige Richtung geht. Hr. Rubinigg betonte dann nochmals die Wichtigkeit der anonymen Fremdprüfung bei der gesamten Leistungsprüfung. Einerseits kann nur so eine objektive Beurteilung erfolgen, andererseits wird hier auch eine Prüfung der gezüchteten Bienen in verschiedenen Umwelten erreicht.

Es hat sich herausgestellt, dass 6-8 versendete Königinnen pro Prüfgruppe für eine Fremdprüfung optimal wären. Jede Prüfgruppe sollte aus ca. 12 Königinnen bestehen, damit etwaige Winterverluste auch verkraftet werden können.

Ratschläge für die Leistungsprüfung

Herr Rubinigg gab dann auch noch ein paar Ratschläge für die Leistungsprüfung selbst:

  • Die Prüfvölker müssen ihre Leistungsfähigkeit frei entfalten können. Sie dürfen also nicht verstärkt oder geschröpft werden
  • Für alle Prüfvölker müssen gleiche Bedingungen gelten. Also gleiche Betriebsweise, gleiche Betriebsmittel, gleicher Prüfstand
  • Aufgrund des Verflugs der Bienen wäre eine Einzelaufstellung optimal. Vierer Gruppen sind auch noch ok. Eine Aufstellung aller Prüfvölker in einer Reihe sollte aber vermieden werden.
  • Zur Schwarmverhinderung: Rechtzeitige Raum- und Mittelwandgabe bzw. eventuell einen Zwischenableger erstellen
  • Beim Honigertrag muss unterschieden werden zw. schleuderbarem und nicht schleuderbarem Honig. Bei schleuderbarem Honig wird die Gesamternte gewogen (auf 0,1 kg Genauigkeit). Bei nicht schleuderbarem Honig, wiegt man die vollen Honigwaben und zieht dann das durchschnittliche Gewicht von Leerwaben ab.
  • Für die Bewertung des Verhaltens (Wabensitz, Sanftmut) sollte man stets ohne Rauch arbeiten. Es sollten mind. 4-6 Bewertungen pro Jahr durchgeführt werden.Es gibt folgende Werte für das Verhalten „Sanftmut“:
    1,0 : Sehr böse
    2,0: Böse
    3,0: Sanft
    4,0: Sehr sanft

    Es gibt folgende Werte für das Verhalten „Wabenstetigkeit“:
    1,0 : Läuft stark
    2,0: Läuft
    3,0: Ruhig
    4,0: Sehr ruhig

    Hr. Rubinigg bittet die Imker, hier wirklich den gesamte Wertebereich zu nutzen. Derzeit sind 66% aller Angaben 3,0 oder 4,0. Der Wert 4,0 sollte aber nur in Ausnahmefällen verwendet werden. Der Standardwert sollte 2,5 sein.

Resümee

Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals sehr herzlich bei Hrn. Neubauer und Hrn. Rubinigg für den hervorragenden Vortrag bedanken. Besonders erfreulich war, dass Hr. Neubauer sehr klar und deutlich auf die Verantwortung der Züchter bei ihrer Zuchtarbeit hingewiesen hat. Die Imker und Bienenzüchter müssen erkennen und sich verinnerlichen, dass der genetische Reichtum auf dem Spiel steht. Unsere heimischen Bienenrassen sind ein genetischer Schatz, den es ausreichend zu schützen gilt. Verantwortungsloses Handeln ist hier fehl am Platz.

Sehr herzlich bedanken möchte ich mich auch beim ÖEIB für die gelungene Veranstaltung. Ich denke,  dass die diversen Fachvorträgen und Workshops eine ideale Ergänzung zur Messe sind und für jede Imkerin/jeden Imker hier etwas geboten wurde.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert